Karin Mack, Annegret Soltau, Ulrike Rosenbach
Nicht jede Kunst von Frauen ist feministische Kunst
Kunst ist dann feministisch, wenn Künstlerinnen sich in ihrer Arbeit mit der gesellschaftlichen Situation von Frauen, mit Unterdrückung, Diskriminierung, mit Stereotypen und Rollenzuweisungen auseinandersetzen. Streng genommen arbeitet feministische Kunst also immer auch an ihrer Abschaffung: Wenn die Missstände, die sie sichtbar macht, nicht mehr existieren, wenn also die Gleichstellung von Mann und Frau erreicht ist, verliert sie ihren Gegenstand – also das, wofür und wogegen sie kämpft.
„Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird es.“ Dieser vielzitierte Satz stammt von der existenzialistischen Philosophin Simone de Beauvoir. 1949 erschien ihr Buch „Das andere Geschlecht“, das bis heute den Feminismus maßgeblich prägt. De Beauvoir untersucht darin, wie die Frau von der zeitgenössischen Gesellschaft zu dem vom Mann abweichenden „anderen Geschlecht“ gemacht wird. Der Mann wird als der Maßstab, das Absolute gesetzt, die Frau ist das Andere.
Screwed – und zensiert
1974 initiiert die Malerin Diane Burko in Philadelphia ein dreimonatiges Festival. Dieses ehrgeizige Projekt mit dem Titel „Focus: Women’s Work – American Art in 1974“ umfasst mehr als 100 Ausstellungen, Vorträge und Konferenzen. Die damals gerade mal 30-jährige Judith Bernstein sorgt mit ihrer Serie monumentaler, organisch anmutender Schraubenzeichnungen für einen Skandal.
Inspiriert von den Kritzeleien auf den Toilettentüren der Universität und dem Wort „screwed“, das nicht nur wörtlich „geschraubt“ meint, sondern auch ein obszöner Ausdruck für den Geschlechtsakt ist, machen diese Arbeiten sich auf provokante Weise das Bild der Schraube als phallisches Symbol der Unterdrückung zu eigen. Eine dieser großformatigen Kohlezeichnungen – „Horizontal“ – wird schließlich sogar aus der Ausstellung entfernt.
Sie sei „moralisch verderblich“, befindet der Bürgermeister von Philadelphia. Eine Petition, initiiert von Künstlerinnen und Künstlern, Kuratoren und Kritikern, erregt zusätzlich Aufsehen, bleibt aber erfolglos. Die Karriere von Judith Bernstein ist damit für mehrere Jahrzehnte vorbei. Die Künstlerin wird erst in den 2000er Jahren wiederentdeckt.
Nackt und niedergebügelt
Viele Arbeiten der feministischen Avantgarde wirken auch heute noch provokant und verstörend. Sie haben an Schlagkraft nichts eingebüßt und zeugen oft auch von Humor und Selbstironie. Zum Beispiel wenn Karin Mack in ihrer aus vier Fotografien bestehenden Arbeit „Bügeltraum“ die Büglerin im vierten Bild als Leichnam auf dem Bügelbrett zeigt – gleichsam niedergebügelt.
Oder wenn Valie Export auf dem Münchner Stachus Passanten einlädt, ihr Tapp- und Tastkino zu besuchen: Sie können ihre Hände in einen Kasten stecken, den die Künstlerin vor ihrem nackten Oberkörper trägt. Birgit Jürgenssen wiederum bindet sich in ihrer Arbeit „Küchenschürze“ gleich die ganze Küche samt Herd um und Renate Eisenegger bügelt in „Hochhaus (Nr. 1)“ das Linoleum eines schier endlos langen Hausflurs.
Der eigene Körper wird zum Ausgangsmaterial
Annegret Soltaus Ansatz hingegen ist eher verstörend als ironisch. Der rote Faden in ihrem Werk ist ein schwarzer. In den 1970er Jahren beginnt sie, Selbstporträts mit schwarzem Faden zu bearbeiten oder auch sich selbst oder ihr Gesicht erst mit Fäden zu umwickeln und dann zu fotografieren. Bei den sogenannten Fotovernähungen, bei denen sie einen realen Faden mit fotografischem Material verbindet, verwendet sie meist Fotos von sich selbst oder von nahen Verwandten. Durch die mitunter schonungslos anmutenden Vernähungen unterschiedlicher Bildelemente entstehen Collagen von irritierender Wirkung.
Wer ist eigentlich Elvis?
Die 1943 geborene Ulrike Rosenbach wiederum vollzieht in ihrer 1972 entstandenen Arbeit „Art is a criminal action“ einen provokanten Rollentausch: Sie nutzt Andy Warhols berühmten Siebdruck „Double Elvis“ als Ausgangspunkt für eine Fotomontage, in der sie selbst – gekleidet und in gleicher Haltung wie Elvis Presley – mit einer Pistole auf die Betrachterinnen und Betrachter zielt. Rosenbach, eine damals noch unbekannte Künstlerin, betritt unerschrocken männliches Territorium und nimmt selbstbewusst und kämpferisch den Platz an der Seite des gefeierten Rock-’n’-Roll-Stars ein.