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Greif‘ zur Feder, Kumpel

Bitterfelder Weg: zwischen Werkbank und Schreibmaschine
Das Foto zeigt das Schriftsteller-Ehepaar Wolff am 9. März 1963 im Arbeitszimmer ihres Hauses in Kleinmachnow

Unter dem Motto „Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich!“ findet im Chemiekombinat Bitterfeld die erste von zwei Kulturkonferenzen statt. SED-Chef Walter Ulbricht fordert Autorinnen und Autoren auf, in ihren Büchern verstärkt den Arbeitsalltag der Werktätigen zu beschreiben. Mehr noch: Ulbricht ruft einen „Sturm auf die Höhen der Kultur“ aus.

Auch die Arbeiterinnen und Arbeiter sollen unter Anleitung schöpferisch tätig werden und auf diese Weise einen aktiven Anteil an der Kultur des noch jungen Staates haben. Es ist die Geburtsstunde des sogenannten Bitterfelder Weges, eines Programms, das die Kluft zwischen Kunst und Arbeiterklasse schließen soll.

Die Faszination des Hochofens

Auch bildende Künstlerinnen und Künstler sind dazu angehalten, in ihren Werken die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse des sozialistischen Realismus darzustellen und Laienkunstgruppen in den Fabriken zu fördern. Der Maler Walter Dötsch, der bei Oskar Schlemmer in Breslau studiert hat, leitet bereits Jahre vor der Bitterfelder Konferenz mehrere Malzirkel in Fabriken. 1952 schließt er mit dem Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld einen Vertrag, der ihn verpflichtet, in den Werkshallen künstlerische Studien zu betreiben –

in dieser Zeit entsteht auch sein bekanntes Gemälde „Brigade Mamai – Schmelzer Nationalpreisträger Hübner hilft seinen Kollegen“.
Walter Dötsch, „Brigade Mamai – Schmelzer Nationalpreisträger Hübner hilft seinen Kollegen“, 1961
Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt; Landesverwaltungsamt, Dokumentationsstelle Kunst, Foto: Heike Hager

Eines der monumentalsten Zeugnisse des neuen Kulturprogramms ist der Mosaikfries „Unser Leben“ von Walter Womacka am Haus des Lehrers am Alexanderplatz in Berlin. Beliebte Motive in dieser Zeit sind vor allem Menschen im Bergbau, an der Werkbank, auf dem Feld, am Schaltpult oder auch: der lesende Arbeiter. 

Walter Womacka, "Unser Leben"
CC 3.0

Die Utopie des gebildeten Arbeiters

Gleichzeitig gründen sich Ausstellungsorte wie die Galerie „Konkret“ in Ostberlin, in denen sich vermehrt Künstlerinnen und Künstler zusammentun, die sich der staatlich verordneten Kulturpolitik nicht fügen wollen. Dazu zählen etwa der Bildhauer und Zeichner Werner Stötzer oder der Maler Dankwart Kühn.

Objekt des Bildhauers Werner Stötzer
picture-alliance/ ZB | Soeren Stache

Doch die Utopie des gebildeten Arbeiters, der seine eigene Situation begreift und beschreibt, zeigt sich am deutlichsten in der Literatur der folgenden Jahre.

Schreib das auf, Genosse!

Brigitte Reimann in ihrer Wohnung in Hoyerswerda
bpk / Gerhard Kiesling

Viele Autorinnen und Autoren sind zunächst begeistert von dem Programm, denn sie erhoffen sich davon neuen Stoff für ihr literarisches Schaffen. So lässt sich Christa Wolf von ihrer Zeit beim „VEB Waggonbau Ammendorf“ zur Erzählung „Der geteilte Himmel“ inspirieren, Franz Fühmann schreibt einen Reportage-Roman über die Warnow-Werft, „Kabelkran und Blauer Peter“, und Brigitte Reimann, die im Kombinat Schwarze Pumpe einen Zirkel schreibender Arbeiterinnen und Arbeiter leitet, verarbeitet ihre Erlebnisse in der Erzählung „Ankunft im Alltag“.

Doch schon nach wenigen Jahren zeigt sich, dass das Programm sich nicht so entwickeln wird, wie es die Partei im Sinn hat.