OST UND WEST

Is it real?

Die Macht der Bilder, Videokunst und NFTs

Bilder sind allgegenwärtig. Wir blicken mittels Geräten in das Innere unseres Körpers und wir wissen, wie es auf dem Mars aussieht. Wir teilen Katzenvideos und Sonnenuntergänge. In Deutschland hat im Schnitt jeder 1070 Bilder auf seinem Smartphone gespeichert. 

Rauminstallation des holländischen Künstlers Erik Kessels, der rund eine Million Fotos aus der Internet-Plattform Flickr heruntergeladen und ausgedruckt hat
Kieler Kunsthalle, picture alliance / dpa | Carsten Rehder

Und manche Bilder werden Teil unseres kollektiven Gedächtnisses – wie die von den Terroranschlägen auf das World Trade Center. Die Fernsehaufnahmen davon, die man überall auf der Welt und mit nur wenig Zeitverzögerung beinahe in „real time“ sehen kann, übersteigen unser Vorstellungsvermögen. 

Manche glauben gar, einen Spielfilm zu sehen – und nicht die Bilder eines realen Ereignisses. Die Grenzen verschwimmen. In den Tagen nach den Anschlägen läuft im US-amerikanischen Fernsehen unablässig der Song „Only Time“ von Enya zur Berichterstattung. 9/11 wird zum Videoclip. Die Grenzen verschwimmen abermals.

Dabei gilt gerade die Fotografie lange als objektives Medium: So, wie es auf dem Foto festgehalten ist, so ist es gewesen – ein naiver Gedanke, wie wir nicht erst dank zahlreicher Bildbearbeitungsprogramme wissen. In der Kunst ist man genau aus diesem Grund zunächst skeptisch gegenüber der Fotografie und auch dem bewegten Bild. 

Die Explosion des legendären Luftschiff "Hindenburg", 1939
IMAGO / Allstar

Ein Fotograf, so die gängige Auffassung, kann die Welt nur abbilden, während ein Maler die Wirklichkeit interpretiert und formt. Wie soll man in der Fotografie ein Original definieren? Vor allem aber geht es immer wieder um Absicht und Autorenschaft: Ist ein Foto automatisch ein Kunstwerk, weil Andy Warhol den Auslöser betätigt hat?

Die meisten europäischen Museen beginnen erst in den 1960er und 1970er Jahren mit dem Aufbau fotografischer Sammlungen.

“Die Kunsthistoriker der Zukunft werden Softwaretypen sein, die in die Tiefen des Codes eindringen, um herauszufinden, was Hunderte von Jahren zuvor geändert wurde.”
Bill Viola

Im April 2021 wird Beeple, ein amerikanischer Designer und Informatiker, der eigentlich Mike Winkelmann heißt, auf Anhieb zu einem der teuersten lebenden Künstler – nach Jeff Koons und David Hockney. Sein digitales Bild „Everydays – The First 5000 Days“ erzielt im Auktionshaus Christie’s in der Kryptowährung Ether umgerechnet 69 Millionen Dollar.

Beeple, "Everydays: The First 5,000 Days"
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Das Bild, eine Collage aus 5000 Einzelbildern, die Beeple zuvor schon auf Instagram gepostet hat, wird als NFT verkauft, als Non-Fungible Token – ein digitales Zertifikat, das eindeutig Beeples Kunstwerk zugeordnet ist und den Käufer als Eigentümer der Originaldatei festschreibt, auch wenn diese weiterhin vervielfältigt werden darf. Digitale Kunst ist nun handelbar und fälschungssicher.