Die Schönheit des Banalen
Inspiriert von der US-amerikanischen Fotografie der 1960er und 70er Jahre gründet Michael Schmidt 1976 an der Volkshochschule in Berlin-Kreuzberg die Werkstatt für Fotografie. Er und seine Schülerinnen und Schüler wollen das Leben zeigen, wie es ist: schön, hässlich, banal, unverstellt und direkt.
Ihre Vorbilder sind Fotografen wie Ralph Gibson, William Eggleston, Stephen Shore oder Robert Frank, für die alles zum Motiv taugt: die verlassene Tankstelle, ein Hydrant am Straßenrand, die Zimmerpflanze in einem billigen Motel, das kaputte Licht einer Neonreklame.
Im selben Jahr übernimmt Bernd Becher eine Professur für Fotografie an der Kunstakademie Düsseldorf und wird im Westdeutschland der Nachkriegszeit der erste Professor für Fotografie. Zu diesem Zeitpunkt hat er gemeinsam mit seiner Frau Hilla bereits eine eigene fotografische Handschrift entwickelt: Sie fotografieren Fördertürme, Gasbehälter, Hochöfen, Kohlebunker, Industriehallen und Fachwerkhäuser. Und zwar mit größtmöglicher formaler Strenge: fast immer aus zentraler Perspektive, ohne Verzerrung, ohne Menschen, in weichem Licht und: immer in Schwarz-Weiß.
Viele der Industriebauten, die sie fotografieren, stehen unmittelbar vor dem Abriss, so dass ihre Arbeit oft auch dokumentarischen Charakter hat.
Michael Schmidt und vor allem auch Bernd und Hilla Becher etablieren die Fotografie wieder als künstlerisches Medium, als das sie in Deutschland bis hinein in die frühen 1930er Jahre galt.
Bernd und Hilla Becher bilden ab Mitte der 1970er Jahre eine Reihe von Fotografinnen und Fotografen aus, die international sehr erfolgreich sind. So zählen unter anderem Andreas Gursky, Thomas Struth, Candida Höfer, Thomas Ruff, Jörg Sasse und Axel Hütte zu den Schülerinnen und Schülern der sogenannten Becher-Schule in Düsseldorf.