Die Stunde null
Der Zweite Weltkrieg hat viele Künstlerinnen und Künstler in die Emigration gezwungen. Max Beckmann etwa wandert erst nach Amsterdam, später dann nach New York aus. Wassily Kandinsky zieht nach Paris. Lotte Laserstein nach Kalmar in Schweden. Der Regisseur und Drehbuchautor Billy Wilder geht wie viele andere auch in die USA.
Mit der Auswanderung zahlreicher europäischer Künstlerinnen und Künstler hat sich auch der Mittelpunkt der internationalen Kunst verlagert. Ab 1945 ist nicht mehr Paris, sondern New York das Epizentrum der Moderne.
New York City
Besonders die New York School beeinflusst die jungen Künstlerinnen und Künstler in Deutschland. Maler wie Jackson Pollock oder Mark Rothko werden für ihren Abstrakten Expressionismus gefeiert.
Die Kritiker jedoch geraten in Streit. 1948 veröffentlicht der Wiener Kunsthistoriker Hans Sedlmayr seine kulturkritische Abhandlung „Verlust der Mitte“, die in der Nachkriegszeit den westdeutschen Blick auf die Kunst nachhaltig prägen wird. Sedlmayrs Buch ist eine Infragestellung der Abstraktion.
Mit medizinisch geprägten Begriffen wie „Symptome“ oder „Diagnose und Verlauf“ beschreibt er die Kunstgeschichte vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Moderne als Krankengeschichte. In der Abstraktion und dem Verlust des Menschenbildes habe sie schließlich zum „Verlust der Mitte“ geführt und zu einer chaotischen, übersteigerten Kunst.
Beim Ersten Darmstädter Gespräch 1950, an dem führende Künstler und Kunstkritiker, aber auch Wissenschaftler anderer Disziplinen teilnehmen, plädiert Sedlmayr vehement gegen die Abstraktion und für die figürliche Malerei – also Malerei, die Personen, Lebewesen oder Gegenstände darstellt.
Und gerät darüber in Streit mit dem Künstler Willi Baumeister. Für ihn wiederum ist die figurative Kunst die bevorzugte Kunstform des Totalitarismus und des gerade für überwunden geglaubten Nationalsozialismus. Die abstrakte Kunst hingegen, so Willi Baumeister, ist die Formensprache der freien Welt.