OST UND WEST

Der Künstler, der aus der Kälte kam

Neue Leipziger Schule: von der Spinnerei nach Hollywood
Neo Rauch, "Handlauf", 2020
Foto: Uwe Walter, Berlin

Mitte der 2000er Jahre sollen sich wohlhabende Sammler aus Hollywood – man raunt: mit dem Privatjet – auf den Weg nach Leipzig, genauer: in den Stadtteil Plagwitz, gemacht haben. Man steuert die ehemalige Baumwollspinnerei an, in der sich zahlreiche Ateliers und Galerien befinden, auf der Suche nach Arbeiten des Malers Neo Rauch. Schließlich war erst kürzlich in der New York Times zu lesen, wie großartig dieser deutsche Künstler sei. „The artist who came in from the cold“, schreibt die Journalistin Roberta Smith in doppelter Anspielung auf den Roman von John Le Carré – und die ostdeutsche Geschichte. 

Was war passiert? Eine Reihe von jungen Künstlerinnen und Künstlern studiert noch vor 1989 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, beginnt ihre künstlerische Karriere jedoch weitgehend nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Neo Rauch als ihr bekanntester Vertreter ist unter anderem Schüler von Bernhard Heisig und Arno Rink.

Neo Rauch
bpk | Angelika Platen, VG Bild-Kunst
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten schafft Rauch einen ganz eigenen Bildkosmos: komplex, figurativ, rätselhaft. Häufig erinnern seine Gemälde auch an Traumbilder oder Visionen. 
Neo Rauch, "Die Entzündung", 2020
Foto: Uwe Walter, Berlin
“Wenn mir schon nicht die Perspektive des Mannes auf dem Mond möglich ist, dann doch wenigstens die des Blickes aus dem Augenwinkel heraus.”
Neo Rauch
Matthias Weischer, "Stage", 2020 / Neo Rauch, "Die Loge", 2020 / David Schnell, "Saison", 2018
Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, Foto: Uwe Walter, Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Matthias Weischer, "Stage", 2020 / Neo Rauch, "Die Loge", 2020 / David Schnell, "Saison", 2018
Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, Foto: Uwe Walter, Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Ab 2003 setzt sich für Künstler wie Neo Rauch, Tilo Baumgärtel, Martin Kobe, Matthias Weischer oder auch David Schnell der Begriff „Neue Leipziger Schule“ durch, obwohl sie sich nie als Gruppe begreifen oder einer Schule zugehörig fühlen. Doch der Kunstmarkt nimmt dieses Etikett dankend an.

Tilo Baumgärtel, "Sentinel", 2020
© Tilo Baumgärtel, Foto Uwe Walter Berlin, courtesy Galerie Kleindienst Leipzig
Aris Kalaizis, "Europa", 2009
Repro: Scancolor Leipzig, VG Bild-Kunst
Matthias Weischer, "Bad II", 2003
Foto: Uwe Walter
David Schnell, Eiland, 2019
courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, Foto: Uwe Walter, Berlin, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Auch Brad Pitt ersteht – 2009 auf der Art Basel – ein Bild von Neo Rauch: „Etappe“ von 1998. Dem Vernehmen nach hätte er lieber eine aktuelle Arbeit erworben – doch die sind bereits alle für Museen reserviert. 

Neo Rauch, "Etappe", 1998
Foto: Uwe Walter, Berlin
Thomas Scheibitz, "Auge und Horizont", 2017
bpk / Städel Museum, VG Bild-Kunst

Parallel zum weltweiten Erfolg von Neo Rauch und der Neuen Leipziger Schule profilieren sich auch in Dresden seit den 1990er Jahren drei Maler mit international beachteten Arbeiten. Es sind der 2019 verstorbene Eberhard Havekost, Frank Nitsche und der Maler und Bildhauer Thomas Scheibitz, der 2005 gemeinsam mit Tino Seghal auch den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig gestaltet.

Und weil der Kunstmarkt Etiketten liebt, bezeichnen manche diese drei Künstler auch als „Dresdner Pop“. Der Begriff hat sich allerdings nicht durchgesetzt.