Von Linientreue, Verrat und Ignoranz
„Es gibt keine Künstler in der DDR.“ Mit diesem Satz befeuert der Maler Georg Baselitz im Sommer 1990 den bis heute anhaltenden deutsch-deutschen Bilderstreit. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht die Frage, ob es ernstzunehmende Kunst unter den Bedingungen der SED-Diktatur überhaupt habe geben können.
Und Baselitz provoziert weiter: Alle Künstler, die die DDR nicht verlassen haben, hätten „die Freiheit, die Liebe und das Leben verraten“.
Wenige Jahre später unternimmt die Neue Nationalgalerie in Berlin den Versuch, Malerei aus der DDR in die eigene Sammlung zu integrieren, um so auch eine Wiedervereinigung im Bereich der Kunst zu fördern. Und wieder kommt es zum Eklat.
Vor allem jüngere ostdeutsche Künstler kritisieren, dass der mächtige DDR-Staatsmaler Willi Sitte in der Neuen Nationalgalerie zusammen mit dem Düsseldorfer Konrad Klapheck gezeigt wird. Derbe, fast aggressive Körperlichkeit neben kühlen Maschinenbildern – Linientreue hier, Autonomie und Eigensinn dort.
In einem von dem ostdeutschen Kunstkritiker und Kurator Christoph Tannert verfassten offenen Brief bemängeln sie nicht nur die Ausgrenzung der unangepassten Künstler aus der DDR. Sie fordern auch, dass Bilder etablierter Maler wie Heisig oder Mattheuer entfernt werden, da sie deren künstlerische Qualität und moralische Integrität bezweifeln. In den Folgejahren gibt es von ostdeutschen Kunstschaffenden, Künstlerinnen und Künstlern immer wieder den Vorwurf einer westdeutschen Ignoranz gegenüber der Kunstentwicklung in der DDR.
2017 rechnet der Kunst- und Kulturwissenschaftler Paul Kaiser mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ab und entfacht den Bilderstreit erneut.
„Mit brachialer Geste und ganz ohne Begründung (…) wurde die kunstgeschichtliche Epoche zwischen 1945 und 1990 (…) ins Depot entsorgt.“
Damit grenze man drei Generationen ostdeutscher Künstlerinnen und Künstler aus. Nach diesem Vorwurf folgt eine heftig geführte Debatte, begleitet von unzähligen Diskussionsveranstaltungen im Museum. Erst die Ausstellung „Ostdeutsche Malerei und Skulptur 1949–1990“ kann 2018 für Beruhigung sorgen und wird ein großer Publikumserfolg.